Klären wir erstmal die Sinnfrage. Warum wird heute eine Klosterstadt mit Methoden und nach Plänen aus dem 9. Jahrhundert gebaut? Man nennt es experimentelle Archäologie. Um genau zu verstehen, wie man damals gelebt und gebaut hat, macht man in riesiges Experiment. Das ist Campus Galli. Extrem lebendige Archäologie. Natürlich stammt auch der Bauplan aus dem 9. Jahrhundert. Mönche haben ihn gezeichnet. Sie lebten um 830 n. Chr. auf der Insel Reichenau. Der große Bauplan ist benannt nach St. Gallen. Für diesen Ort wurde er einst entwickelt. Kaum 1200 Jahre nach seiner Entstehung wird der Plan verwirklicht: in einem Wald bei Meßkirch, Oberschwaben.
Angesichts der 40 Jahre, die wahrscheinlich noch mehr werden, wird deutlich, worum es auf der großen Baustelle der Klosterstadt geht: Mehr ums Bauen selbst, als um die Fertigstellung. Man hätte kaum einen besseren Ort finden können. Der Süden ist die Heimat so vieler Bauherren und Architekten. Das Lebensmotto „Schaffa, schaffa, Häusle bauen“ ist hier geboren worden. Auf dem Campus Galli wird an die Anfänge des Bauens erinnert. Täglich. Wenn der Winter vorbei ist, fängt die Bauzeit an. Jedes Jahr aufs Neue. Bis alles fertig ist. Zum Vergleich: Für das Ulmer Münster ist eine Bauzeit von 513 Jahren notiert.
Mir kommt ein Spruch meines Opas in den Sinn: „Es gibt drei Dinge auf der Welt, die sieht jeder Mensch gern: Wasserfälle, Regenbögen und anderen Menschen bei der Arbeit zu.“ Aber man muss sich als Gast auf der mittelalterlichen Baustelle keine Sorgen machen. Im Gegenteil: Jeder, der beim Bauen zuschauen will, ist herzlich willkommen. Jede Besucherin und jeder Besucher unterstützt allein durch Besichtigung das Projekt. Darum werden auch Führungen und Firmenseminare angeboten. Wer möchte, kann stilecht eine Kutsche für die Führung buchen.